Ingeborg Lüscher
„300 Millionen Jahre“
6.9.-1.10.2014

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Nina Koidl und Henning Weidemann freuen sich, mit „300 Millionen Jahre“ die erste Einzelausstellung von Ingeborg Lüscher bei Campagne Premiere zu zeigen. Nach Lüschers Beitrag mit historischen Arbeiten der 70er Jahre zu der Gruppenausstellung „Transformations - Ingeborg Lüscher, Ana Mendieta, Teresa Murak“ in diesem Frühjahr widmet sich „300 Millionen Jahre“ einer neuen Fotoserie der Künstlerin.


Seit Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit Ende der 60er Jahre macht Ingeborg Lüscher alltägliche Gegenstände, Erlebnisse und Eindrücke aus ihrer Umgebung zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit. Neben Objekten und Installationen sind auf diese Weise Fotografien, Gemälde, Texte und seit den 1990er Jahren auch Videoarbeiten entstanden. Oft arbeitet die Künstlerin in Serien. Ihr Werk wurzelt in der Konzeptkunst, deren Strenge und Ordnungsprinzipien sie mitunter auch persiflierte. Die Verbreitung eines Motivs oder Gedankens in einer Werkserie stellt sie den aus dem Umkreis ihrer Biografie motivierten Formen gegenüber. Das Spezifische, Persönliche, oft mit Erinnerungen und Erzählungen der Künstlerin Verbundene steht dem Unspezifischen, Wiederkehrenden und Seriellen gegenüber.


Seit 2011 hat Ingeborg Lüscher eine große Anzahl analoger Fotografien in ihrem Lebensumfeld im Tessin geschaffen, die sie in lang andauernden Prozessen auswählt und bearbeitet und die in der aktuellen Ausstellung ihre endgültige Form gefunden haben. Die Künstlerin hat die Motive - Bilder von Flechten auf Steinen - im Prozess unscharf und ungenau werden lassen. Lüscher entscheidet sich dafür, Fotografie als Medium für ihre Arbeit einzusetzen und unterläuft dabei eines ihrer zentralen Prinzipien - die Schärfe der Wiedergabe. Durch die Wahl des Ausschnitts und die Vergrößerung des Abzugs verbinden sich die Flechten zu einem malerisch verschwimmenden organischen Rauschen. Die motivische Unschärfe der Formen geht dabei mit einem ebenso unspezifischen Bildraum einher. Die Entscheidung für diese Bearbeitung der Fotografien unterstreicht zusammen mit dem Titel der Ausstellung, dass älteste organische Mikrostrukturen gleichzeitig makrokosmische Realität sind.


In Verbindung bringt Ingeborg Lüscher die Bilder von Flechten sowohl mit naturwissenschaftlichen als auch metaphysischen Fragen und Beobachtungen. Spiritualität und Irrationalität sind im Werk Lüschers fest verankert. Die Bilder von Flechten bezieht sie auf eine Aussage von Werner Heisenberg, in der es um die Ambivalenz und kaum mögliche Abgrenzung der Naturwissenschaften zur Metaphysik geht. Mit ihrer Hinwendung zur Metaphysik erobert sich die Künstlerin Räume jenseits der Sachlichkeit, in denen sie die Irrationalität ihres Werkes praktiziert. In der Ausstellung „300 Millionen Jahre“ sind ihre jüngst entstandenen Fotografien der Videoarbeit „Frozen River - who killed Jerusalem“ von 2006 gegenübergestellt, die - versehen mit einer anschwellenden, der Natur entnommenen Tonspur - die Aufladung einer schlichten Naturaufnahme ebenfalls betont.


Ingeborg Lüscher (geb. 1936 in Freiberg/Sachsen) ist seit ihrer Teilnahme an der „Grossen Kunstausstellung“ im Haus der Kunst im Jahr 1968 in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland präsent. Große Einzelausstellungen ihrer Werke fanden unter anderem im Haags Gemeentemuseum, Den Haag, Museum Wiesbaden, MaRT Museo di Arte Moderna e Contemporanea, Rovereto, NCCA National Center of Contemporary Art, Moskau und in den Kunstsammlungen Chemnitz statt. Ihre Werke wurden auf der Documenta 5 und IX sowie den Biennalen in Venedig 1980 und 1999 gezeigt. Im Jahr 2011 wurde Ingeborg Lüscher mit dem Meret Oppenheim Preis ausgezeichnet. Jüngste Einzelausstellungen fanden statt im Kunstmuseum Luzern (2010), ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe (2011), Hamburger Bahnhof, Berlin (2012) und Situation Kunst (für Max Imdahl) Ruhr Universität, Bochum (2013). Für 2016 ist eine umfangreiche Retrospektive im Kunstmuseum Solothurn geplant.


You are warmly invited to Ingeborg Lüscher's first solo show at Campagne Premiere. After her contribution of historical works from the 1970s to the group exhibition "Transformations – Ingeborg Lüscher, Ana Mendieta, Teresa Murak" in the spring, with "300 Million Years" she will now introduce a new photo series.


Since the start of her artistic practice in the late 1960s, Ingeborg Lüscher's work has been revolving around everyday objects, experiences and impressions from her immediate environment. Besides objects and installations, this has also yielded photography, paintings, texts and – since the 1990s – video art. The artist frequently produces serial work. Although her oeuvre is rooted in conceptual art, she has also satirized the underlying governing principles of strictness and order. She juxtaposes the dispersion of a motif or idea in a series with forms that are influenced by autobiographical factors. The personal and specific, which are frequently interwoven with the artist's memories and stories, build a stark contrast with the unspecific, repetitive and serial nature of her work.

Since 2011, Ingeborg Lüscher has produced a large volume of analog photographs in and around her hometown in the Tessin region, Switzerland. She has taken these works through an extensive process of selection and modification. With this procedure, the artist has made her motifs – images of lichens on stones – blurred and imprecise. Lüscher may have chosen photography as the principal medium for her current work, but she has broken one of its main rules: the sharpness of representation. Through the selection of a segment of the photo and subsequent enlargement of the print, the lichens enlace into a picturesquely hazy, organic whir. The motif's lack of sharpness befits the equally unspecified pictorial space. The decision to modify the photographs in this manner, combined with the exhibition title, underscores the idea that the oldest organic microstructures also reflect macrocosmic reality.

Ingeborg Lüscher relates her images of lichens to questions and observations of a scientific as well as of a metaphysical nature. Spirituality and irrationality are fundamental components in Lüscher's work. She ascribes her images of lichens to a statement by Werner Heisenberg, which deals with the ambivalence of the natural sciences, as well as the impossibility to separate them from metaphysics. By addressing metaphysics, the artist colonises those territories that lie beyond objectivity, where she actively practices her work's inherent irrationality. The exhibition presents her most recent photographs alongside the 2006 video work "Frozen River - who killed Jerusalem". This work, with its insurgent soundtrack of the great outdoors, also reveals how an inconspicuous recording of Nature can be charged with meaning.

Ingeborg Lüscher (1936, Freiberg, Saxony) has been a part of numerous national and international exhibitions ever since her participation in the 1968 Grosse Kunstausstellung at the Haus der Kunst in Munich. Large solo exhibitions of her work were held at, amongst others, the Haags Gemeentemuseum in The Hague, Museum Wiesbaden, MaRT Museo di Arte Moderna e Contemporanea, Rovereto, NCCA National Center of Contemporary Art in Moscow and at the Kunstsammlungen Chemnitz. Her work was presented at Documenta 5 and IX as well as during the Venice Biennale of 1980 and 1990. In 2011, Ingeborg Lüscher was awarded the Meret Oppenheim Prize. Her most recent solo exhibitions took place at Kunstmuseum Luzern, CH (2010), ZKM Center for Art and Media, Karlsruhe, DE (2011), Hamburger Bahnhof - Museum for Contemporary Art, Berlin (2012) and Situation Kunst (for Max Imdahl) Ruhr University, Bochum (2013). An extensive retrospective exhibition is planned at the Kunstmuseum Solothurn for 2016.